Sempervivum
In der Naturheilkunde sind in den letzten Jahrhunderten viele Volksnamen für Sempervivum tectorum L. in Umlauf gebracht worden.
Unter anderem: Dachwurz / Hauswurz / Donnerkraut / Donnerbart / Donnerlauch / Hauslauch / Scherzenkraut / Wetterwurz / Zittriwurzen / Zittrichkraut
Die ursprüngliche natürliche Verbreitung von Sempervivum in den südeuropäischen Gebirgen wurde erst durch die sogenannte „Landgüterverordnung“ ( Capitulare de villis), erlassen im 9. Jahrhundert von Karl dem Großen, aufgehoben. Dieser ordnete an, dass Sempervivum wegen seiner Heilwirkung anzubauen sei. Seit der Zeit ist Sempervivum tectorum L. über ganz Europa verbreitet.
Heilkräftige Pflanzenteile:
Gesammelt werden die frischen Blätter ( Folia recens). Dieses sollte in der Zeit von Anfang März bis Ende Oktober geschehen. Die Blätter werden ausgepresst und frischer Saft (Succus recens) gewonnen.
Bisher sind folgende Wirk- und
Heilstoffe nachgewiesen: Gerbstoff, fettes Öl, Pflanzenschleim, Kalziummalat,
Harze, Apfelsäure, Ameisensäure. Vermutlich gibt es noch weitere nicht
erforschte Heilstoffe, die in Sempervivum enthalten sind.
Heilwirkung:
Sempervivum ist zwar nicht offizinell, die Pflanze stand jedoch im Altertum und Mittelalter im hohen Ansehen. Außer in der ländlichen Bevölkerung bediente man sich kaum noch der Pflanze. Erst in der modernen Homöopathie wurde Sempervivum wiederentdeckt.
Die saftigen frischen Blätter werden zerquetscht, oder auch der reine Saft wird als kühlendes und zusammenziehendes Mittel auf Wunden, Entzündungen, Geschwüre, Brandwunden und auf die schmerzhaften gichtigen Stellen gebracht.
Als Tee ( Aufguss) getrunken und gleichzeitig in Form eines leichten Absudes für Umschläge, verwendet man die frisch gepflückten Sempervivumblätter als ein bewährtes Mittel gegen Gürtelrose, bösartige Hautleiden, rissige Haut, Gebärmutterneuralgie, Hämorrhoiden und Würmer ( Dr. W. Winkelmann).
In neuester Zeit wird der frische
Saft aus der ganzen Pflanze, konserviert zu einer Tinktur, oder zu einem homöopathischen
Präparat hergestellt, empfohlen bei Gebärmutterkrebs (Uteruscarzinom), bei
Mundfäule und Halsentzündung ( nach Münch, Stauffer u.a.).
Anwendung in der Volksheilkunde:
Die Anwendung von Sempervivum war in der Volksheilkunde seit jeher sehr vielseitig.
So galt der Saft aus den frischen Blättern gepresst, als ein Mittel gegen den Biss von Insekten. Ferner verwendete man diesen Saft auch gegen Ruhr und ruhrartige Durchfälle und als wurmtreibendes Mittel an.
Bei Milzstechen oder Milzschmerzen kochte man Sempervivumblätter in Milch und legte den Brei so warm als möglich über.
Der frische Saft dient für Umschläge bei blutenden Wunden, die Salbe für Brandwunden sowie für Ätzwunden durch Säuren.
Desgleichen soll der frische Saft bei beginnendem Rotlauf, bei skrofulösen Geschwüren und bei schlecht heilenden Wunden angewendet werden.
Äußerlich gebraucht man den frischen Saft bei Augengeschwüren, Ohrenschmerzen und Ohrenfluß.
Hühneraugen und Sommersprossen werden mit sichtlichem Erfolg mit dem frischen Saft bekämpft.
Der Saft wird empfohlen zu Klistieren bei Fieberanfällen.
Bei Schwerhörigkeit infolge verhärtetem Ohrenschmalz träufle man den Frischen Saft der Blätter ins Ohr. Dieser löst den Ohrenschmalz auf.
Als Fiebermittel legt man 1 bis 2 Blätter in ein Glas Wasser und trinke nach etwa einer halben Stunde dieses für Fiebernde so durstlöschende und kühlende Getränk.
Der Saft mit etwas starkem Weißwein vermischt und getrunken, treibt die Spulwürmer aus.
Herstellung von Salben:
Eine Hauswurzsalbe bereitet man,
indem man in warmen flüssigen Schweinefett den frisch ausgepressten Blättersaft
verrührt und erkalten lässt. Diese Salbe ist sehr heilend bei Quetschungen, Unfallverletzungen,Wunden, Entzündungen,
Brandwunden, Insektenstichen u.a..
Aus der „Hausmittel-Rezeptsammlung“ der Philippine Welser, Gattin des 1557 –1580 in Tirol regierenden Erzherzog Ferdinand:
„Hauswurz dick einkochen,
Arnikasaft dazugeben, ganz wenig Pech ( = Harz) und etwas Schweineschmalz
zuletzt mitkochen, vom Feuer ziehen und solange verrühren bis alles kalt und
steif ist. Die Salbe ist sehr gut bei Verletzungen und frischen Wunden.“
Die Heilwirkung beider Salben hält nur ein Jahr hindurch an. Nach dieser Zeit nimmt die Heilwirkung bei beiden Salben rasch ab.
Anwendung in der Homöopathie:
Die Homöopathie bereitet aus dem
Saft der frischen Blätter eine Essenz, die für Umschläge bei Wunden aller
Art, bei Brand – und Ätzwunden, Geschwüren, Hautausschlägen, Flechten,
skrofulösen Geschwüren, Hühneraugen und Warzen Anwendung findet.
Anwendung in der Tiermedizin:
In
den Alpengegenden gab es früher für die Wunden und Verletzungen beim Hausvieh
viele Salben mit Hauswurz, Enzian und Wacholder bereitet.
Anmerkung:
Sempervivum montanum L. / Sempervivum
wulfenii Hoppe / S. arachnoideum L. haben
die gleiche Heilwirkung wie S. tectorum
L. .
Quellen:
Mehrere medizinische Fachbücher, Abhandlung von Richard Willford /Linz 1959
Federzeichnungen aus Icones Florae Germanica et Helvetica vo. XXIII / Reichenbach L. 1898 – 1899
Diese schönen Verse wurden vor einigen Jahren von Frau Marte Hald , Ehrenmitglied der
Gesellschaft der Staudenfreunde e.V. in der Zeitschrift der Staudengarten veröffentlicht.